GESCHICHTEN UNSERER VOLONTÄRE

Elf Nächte in Bangkok

Von Rita Feger

Mit dem Wunsch, einen positiven Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten, ist man in der Regel nicht allein, so dass Volontariate oft nur schwer zu bekommen sind. Doch meine Zeit schien gekommen zu sein: Ich erhielt eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch von Child’s Dream. Zuversichtlich, dass die Pandemie bald vorbei sein würde und den Kopf voller malerischer Bilder aus Fernost, ohne jemals dort gewesen zu sein, war ich voller Vorfreude. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie man Zoom benutzt, war aber ziemlich stolz, dass ich nicht vergessen hatte, eine Hose anzuziehen. So sass ich also nervös vor dem Laptop und wartete… aber der Bildschirm blieb schwarz. Daran änderte sich nichts, und das Gespräch musste vertagt werden. Wenigstens blieb es mir erspart, versehentlich auf einen falschen Knopf zu drücken und dank eines Filters als Kartoffel oder Katze auf dem Bildschirm zu erscheinen. (Wenn, dann wäre mir natürlich die Katze lieber gewesen, da diese immerhin noch ein wenig Gehirnmasse vermuten lässt, was in einem Vorstellungsgespräch ja durchaus von Vorteil sein kann.)

Beim zweiten Gespräch hat dann zum Glück alles reibungslos geklappt. So ging ich mit einem aufwändig zusammengetragenen Bündel Papieren zur thailändischen Botschaft und reiste ein paar Wochen später nach Bangkok. Wie ein Eindringling aus dem Weltall wurde ich am Flughafen von einer Armee blau-weisser Plastikmenschen empfangen. An mehreren aufeinanderfolgenden Stationen musste ich alle akribisch gesammelten Bestätigungspapiere vorzeigen, während jedes Mal meine Temperatur gemessen wurde. In der Gewissheit, dass das, was ich erlebte, kein Fiebertraum war, wurde ich zum Hotel gefahren, wo mich elf Nächte und zwölf Tage Quarantäne erwarteten. Bei der Ankunft und später immer wieder wurden mir unzählige Einverständniserklärungen zur Unterschrift vorgelegt. Noch heute frage ich mich, ob ich dabei nicht unwissentlich meine Seele verkauft habe.

Wie ein Eindringling aus dem Weltall wurde ich am Flughafen von einer Armee blau-weisser Plastikmenschen empfangen.

Als potentielle Gefahr für die Bevölkerung, abgesondert und abgeschnitten von der Umwelt, fühlte ich mich in der Quarantäne ohne meine Bewegungsfreiheit teilweise wie in zeitlich begrenzter Einzelhaft. So relativieren sich Stereotype in Krisenzeiten und aus bestens ausgestatteten Hotelzimmern werden Käfige – unabhängig davon, wie golden sie glänzen.

Es galt, geduldig zu sein und die Stunden bestenfalls nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Der Höhepunkt des Tages war jeweils das Essen. Dies ging so weit, dass irgendwann allein der Klang der Essensglocke ein ungewohntes Glücksgefühl in mir auslöste. Nachdem ich zum ersten Mal negativ getestet worden war, durfte ich täglich einen kurzen Spaziergang im Innenhof… äh, am Hotelpool machen. Mehrere Tage in einem vollklimatisierten Zimmer trübten jedoch selbst dieses einfache Vergnügen, und ich begann zu begreifen, was es bedeutet, wenn es Sommer ist in Siam . Elf Nächte in Quarantäne in Bangkok machen sogar eine starke Frau bescheiden. Zum Glück hat alles ein Ende, und ich spürte wie Chiang Mai auf mich zukam.